Einer der bedeutendsten deutschen Lyriker der Gegenwart, der Dichter und Theologe Christian Lehnert, ist mit der Ehrendoktorwürde der Augustana-Hochschule ausgezeichnet worden.
Rektor Prof. Dr. Michael Pietsch überreichte am Abend des 2. Dezember dem Pfarrer und Wissenschaftlichen Geschäftsführer des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Gegenwart zahlreicher Ehrengäste im Pechmannhaus der Hochschule die Promotionsurkunde honoris causa.
Prof. Dr. Klaus Raschzok, Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie, begründete die Auszeichnung mit der besonderen wissenschaftlichen Leistung Lehnerts auf dem Gebiet der Theologie. Diese zeige sich konkret in der durchgängigen Verwendung und Reflexion christlicher Motive in seinen Gedichten, in den beiden explizit theologischen Werken „Korinthische Brocken. Ein Essay über Paulus“ (2013) und „Der Gott in einer Nuss. Fliegende Blätter von Kult und Gebet“ (erscheint 2017), in den durch die Kombination der beiden Berufe „Schriftsteller“ und „Theologe“ geprägten Lehrveranstaltungen Lehnerts an der Universität Leipzig sowie in der maßgeblichen Mitwirkung an der neuen Taufagende der VELKD.
Als Laudator fungierte der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Reinhold Grimm (Jena), der Lehnerts Werk, v.a. aber das Paulusbuch „Korinthische Brocken“ in seiner alle Gattungsregeln durchbrechenden Hybridität ausleuchtete. Anspruchsvolle Exegese sei hier verbunden mit meditativen und lyrischen bis dadaistischen Elementen. Lehnert sehe die Probleme des Lyrikers, die rechte Sprache zu finden, in unmittelbarer Analogie zur Suche des Paulus nach Worten, um sein „Damaskus-Erlebnis“ auszudrücken – ganz so wie das heutige Christentum in Zeiten nachkirchlicher Sprachlosigkeit nach Metaphern und Begriffen taste. Die „Prototheologie“ des Paulus sei beispielhaft für „das Paradox jeder religiösen Rede“, „nicht schweigen und auch nicht sprechen zu können“.
Die Eigenschaft des poetischen Bildes wie der religiösen Rede, etwas zu sagen und gleichzeitig nicht zu sagen, war dann auch zentraler Schwerpunkt des Festvortrags des frisch ernannten Promovierten ehrenhalber, eines, nach Aussage Lehnerts „gescheiterten“ Versuchs, die Elementarteilchen poetischer wie religiöser Sprache zu finden. So wie bei den Griechen alles aus dem apeiron, dem Unbegrenzten, Ungeteilten entstehe, so ruhten Gedicht wie Gottesrede auf dem Schweigen, aus dem plötzlich etwas Neues aufscheine, etwas, was vorher nicht da gewesen sei. Gott habe sich auch und vor allem nach christlicher Überzeugung „in der Schöpfung verloren“, „entäußert“ und könne nur im Gebet und im Opfer, das heißt in der Anrufung, aus dieser Ungewissheit hervorgeholt werden. So wie das poetische Bild an der Grenze der Wörter eine neue Aussage finde, die gleichzeitig wieder verfalle, so sei auch die religiöse Metapher geprägt von einem "Schillern" zwischen Sagen und Nichtsagen. Lehnert führte diese These exemplarisch aus an der Berufungsszene Jesaja 6, die in ihren "auslöschenden Bildern" auch die christliche Abendmahlsliturgie auf atemberaubende Weise präge. So wie die Poesie als Suche nach der Einheit von Wort und Sache die „sakramentale Form der Sprache“ sei, so finde die religiöse Sprache, besonders im Gebet, ihre tiefere Bedeutung, wenn sie den Aussagecharakter verliere und „sich aufmache zu Gott“. Poesie und religiöse Sprache würden im Sprechen und Hören wahr.
Der festliche Abend, der musikalisch von Katharina Möritz (Flöte) und Dmitri Rodionov (Klavier) von der Musikhochschule Nürnberg gestaltet wurde, klang bei einem Empfang in der Mensa aus.
Die Verleihung der Ehrendoktorwürde war Teil des festlichen Wochenendes zum Augustana-Tag, dem alljährlich begangenen Gründungstag der Hochschule. Neben einem Empfang für die vor 50 Jahren immatrikulierten Alumni und dem bis in die Morgenstunden des Sonntags dauernden großen Winterball der Studierenden verdiente vor allem der Festgottesdienst in St. Laurentius Beachtung, bei dem der neue Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Michael Pietsch sowie Pfrin. Stefanie Kleierl, Assistentin für Interkulturelle Theologie, Missions- und Religionswissenschaft eingeführt wurde. Einführender war OKR Helmut Völkel, der Leiter der Personalabteilung der Landeskirche, die Predigt zu Matthäus 24 hielt Prof. Dr. Klaus Raschzok. Ein festliches Mittagessen in der Mensa schloss sich an.
Die Jubilare am Alumni-Treffen mit Prof. Dr. Gury Schneider-Ludorff, PD Dr. Stefan Seiler und Studierenden
Tanz beim Winterball
Die Beteiligten am Einführungsgottesdienst: Hintere Reihe: Annekathrin Strobach, Prof. Dr. Markus Buntfuß, Prof. Dr. Klaus Raschzok, Martina Wiemer-Bey, OKR Helmut Völkel; vordere Reihe: Pfr. Janning Hoenen, Pfrin. Stefanie Kleierl, Prof. Dr. Heike Walz, Rektor Prof. Dr. Michael Pietsch, stud. theol. Annika Kringel, stud. theol. Simon Hansbauer, Pfrin. Julia Illner
Fotos: John B. Pohler