Neues „Ökumenisches Netzwerk für Theologische Ausbildung“ (REET) in Argentinien
Pünktlich zum 500-jährigen Reformationsjubiläum 2017 gründeten fünf protestantische Kirchen am Río de la Plata das „Ökumenische Netzwerk für Theologische Ausbildung“. REET ist das spanische Kürzel für das Red Ecuménica de la Educación Teológica. Durch E-Learning Methoden wird es langfristig Studierenden in ganz Lateinamerika offen stehen.
Prof. Dr. Heike Walz, Prorektorin der Augustana-Hochschule Neuendettelsau, nahm am 19. Oktober 2017 an dem bewegenden Festakt im Kirchenamt der Evangelischen Kirche am Río de la Plata im Stadtteil Belgrano in Buenos Aires teil. Am 20. Oktober 2017 war sie als Podiumsgast zur Frage nach der Aktualität der Reformation im heutigen Lateinamerika eingeladen und berichtet über die Begegnungen.
(v.li. die Mitglieder des Ökumenischen Teams des REET: Dr. Pedro Kalmbach, lic. Marisa Strizzi, Dr. Daniel Beros, Alan Eldrid, Dr. Guillermo Steinfeld und Gastreferent Prof. Dr. Vitor Westhelle; Foto: Eugenio Albrecht)
Flexibles Netz
Das Kürzel REET ist ein Wortspiel. Im Spanischen klingt es wie red: „Netz“ oder „Netz-werk“. Es geht um ein horizontales Netz, im Gegensatz zu einer vertikalen Institution. Das Netz ist eine lebendige Metapher, unterstrich Prof. Dr. Vitor Westhelle in seinem Festvortrag über die „Herausforderungen der ökumenischen theologischen Ausbildung am Anfang des 21. Jahrhunderts in Lateinamerika und im globalen Horizont.“ Westhelle lehrt Systematische Theologie an den Faculdades EST in São Leopoldo in Brasilien sowie an der Lutheran School of Theology in Chicago in den USA. Seine kreativen Assoziationen zur Netzmetaphorik regten zu eigenen Ideen an, die wir beim anschließenden Empfang sofort aufgenommen und weitergesponnen haben.
Als Leitmotiv steht Joel 3,1 auf dem Flyer des REET: „... und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.“
Gemeinsame Erklärung der fünf Kirchen reformatorischer Tradition
Es war ein emotionaler Moment, als Pfarrerin Claudia Tron als Moderatorin der Waldenserkirche am La Plata die gemeinsame Erklärung verlas und die Repräsentantinnen und Vertreter der fünf protestantischen Gründungskirchen sie in feierlicher Stimmung unterzeichneten. Die Evangelische Kirche am Río de la Plata, die argentinische Vereinte Lutherische Kirche, die Waldenserkirche am La Plata, die Kirche der Jünger Christi und die Anabaptistische Mennonitenkirche Buenos Aires verpflichten sich darin, ökumenisch zusammen zu arbeiten.
Das Netzwerk REET erstreckt sich über Argentinien, Uruguay und Paraguay. Theologinnen, Theologen und Studierende weltweit, und ganz besonders in Lateinamerika, sind dem REET im Geiste einer reformatorisch-befreiungstheologischen Ökumene verbunden.
Die theologische Ausbildung soll der Mission der Kirchen in der Welt dienen, aber auch das kritische Denken und die spirituelle Kraft der Reformation in konfessionsübergreifender Ausrichtung weitertragen. Ein Fokus liegt auf dem Engagement für Menschenrechte, für Gerechtigkeit und Diversität der Geschlechter, für die Ureinwohner und Ökologie sowie auf dem multireligiösen Dialog. Darin ist eine Fortführung der Tradition ökumenischer Befreiungstheologie zu erkennen, auch wenn das Stichwort der Befreiungstheologie nicht explizit fiel.
(v. li. Ricardo Liso, Anabaptistische Mennonitenkirche Buenos Aires; Pfrin. Claudia Tron, Moderatorin der Waldenserkirche am La Plata; Ester Becker, Generalsekretärin der Kirche der Jünger Christi; Pfr. Gustavo Gómez, Bischof der Vereinten Lutherischen Kirche; Pfr. Carlos Duarte, Präsident der Ev. Kirche am Río de la Plata; Foto: Eugenio Albrecht)
Festakt mit Kirchentango: „Wir haben Hoffnung“
Mehr als achtzig Personen aus verschiedenen Kirchen und ökumenischen Organisationen waren zum Teil von weit her gekommen, um dem Festakt beizuwohnen. Ein Kinderorchester verzauberte das Publikum mit klassischen Musikstücken und dem Kirchentango „Wir haben Hoffnung“ (Tenemos esperanza), einer sehr schönen Komposition von Homero R. Perera aus Uruguay und dem Liedtext des methodistischen Bischofs Federico J. Paguro (1923-2016) aus Rosario, der seit der Militärdiktatur ein unermüdlicher Kämpfer für Menschenrechte war.
Der Refrain spricht Bände: „Und darum sind wir heute voller Hoffnung; und darum kämpfen wir mit Beharrlichkeit; und darum blicken wir heute voll Vertrauen in eine neue Zukunft, auf dieser, meiner Erde.“
Neuanfang der Theologischen Ausbildung nach der Schließung des I.U. ISEDET
Von einer Hoffnung auf einen Neuanfang der Theologischen Ausbildung am La Plata, davon war dieser Festakt getragen. Die Schließung der evangelisch-ökumenischen Hochschule I.U. ISEDET in Buenos Aires vor zwei Jahren hatte eine große Lücke hinterlassen, nicht nur in Argentinien, sondern auch in Lateinamerika. Man kann ohne Übertreibung sagen: Das I.U. ISEDET war im spanischsprachigen protestantischen Lateinamerika eine Hochschule mit höchstem akademischen Niveau. Doktorierende aus vielen lateinamerikanischen Kirchen hatten hier ihren Doktortitel erworben, um anschließend in ihrem Land evangelische Theologie zu lehren. Ich war in meiner Zeit als Professorin für Systematische Theologie beeindruckt, nicht nur von der akademischen Qualität der Doktorarbeiten, sondern auch von ihrer Relevanz für die jeweilige Kirche und das Land.
Pastorale Theologie und akademisch-wissenschaftliches Studium
Die protestantischen Kirchen am La Plata trieb die Frage um: Wie soll künftig die theologische Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern am La Plata aussehen? Sie schlugen neue Wege ein. Die traditionellen Modelle theologischer Ausbildung passen nicht mehr zu den heutigen Bedingungen. So entstand die Idee eines flexiblen Netzwerks, das auf „sukzessive und partizipative Weise weiter entwickelt wird“, wie Pfarrer Dr. Pedro Kalmbach aus der Evangelischen Kirche am Río de la Plata und früherer Professor für Praktische Theologie am I.U. ISEDET, ankündigte. „Die theologische Ausbildung für das Pfarramt und das akademisch-wissenschaftliche Studium bilden keinen Gegensatz in unserer Form, Kirche zu sein,“ kommentierte Pfarrer Gustavo Gómez, Präsident der Vereinten Lutherischen Kirche in Argentinien, die Neugründung des REET.
(Teammitglieder des REET mit Freundinnen und Freunden, Foto: Eugenio Albrecht)
Theologische Kurse in den Kirchen und E-Learning
Bereits im März 2018 sollen theologische Kurse in Räumlichkeiten verschiedener Kirchen unterrichtet werden sowie Online-Kurse, an denen die Studierenden und Interessierten von zu Hause aus teilnehmen. E-Learning in Form von Internetplattformen, Chats und Online-Konferenzen wird zurzeit infolge der Digitalisierung in vielen Ländern, auch an deutschen Universitäten, entwickelt. Aufgrund der enormen Ausdehnung der Länder in Lateinamerika und der hohen Reisekosten ist E-Learning ein attraktives und unabdingbares Medium.
Beim anschließenden Sektempfang erlebte ich ein sehr herzliches Wiedersehen mit vielen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, Wegbegleiterinnen und Freunden aus dem ehemaligen I.U. ISEDET und der Ökumene der Kirchen.
Aktualität der Botschaft der Reformation – anlässlich des 500jährigen Jubiläums
Der erste akademische Studientag des REET am Abend des 20. Oktober 2017 stand unter dem Thema „Die Aktualität der Botschaft der Reformation – Perspektiven und Herausforderungen 500 Jahre danach“, zu dem Prof. Dr. Vitor Westhelle referierte.
(v. li. Prof. Dr. Paula Seiguer, lic. Marisa Strizzi, Prof. Dr. Heike Walz; Foto: Eugenio Albrecht)
Auf dem Podium saßen mit mir noch zwei Professorinnen, die eine Response, eine spontane Reaktion auf den Vortrag, vortrugen: Prof. Dr. Paula Seiguer, Historikerin an der Universität Buenos Aires und lic. Marisa Strizzi, Teammitglied des REET und aus der Anabaptistischen Mennonitenkirche Buenos Aires. Das Netz des REET ist ausgeworfen. An ihm wird weiter geknüpft. In ihm wird debattiert und gestritten. Auf weitere Impulse darf man gespannt sein.
Weitere Informationen auf der Homepage: http://reet.org.ar und auf Facebook: @RedEcumenicaREET
Prof. Dr. Heike Walz, Reformationstag, 31. Oktober 2017
(Ein ausführlicher Artikel wird in der Zeitschrift „Interkulturelle Theologie“ erscheinen)